Was hätte sein können (abc Etüden 43.17)

Die Kinder, die vor mir hergehen, ach was hüpfen, mit ihren Lampions „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne“ singen sie voller Inbrunst, die Augen leuchten und die Wangen sind rot in der kalten Novemberluft, die sie aber gar nicht zu spüren scheinen.

Was wäre wenn, fragte ich mich, wenn ich das Kind damals bekommen hätte, würde ich dann jetzt genauso stolz wie die Frau da vorne neben meinem Enkelchen herlaufen und die gemeinsamen Stunden, selbst ein wenig wieder zum Kind werdend, genießen?

„Dumme Gedanken, weg mit euch“, ich werde jetzt in meine Wohnung zurückkehren mit den edlen Dielen, den Designermöbeln, dem ultramodernen Fernseher, der Fußbodenheizung und dem Elektrokamin, der mir Wärme vortäuscht und Geborgenheit, einmal mehr warte ich, dass das Telefon klingelt oder ich eine WhatsApp-Nachricht erhalte.

Als ich dann endlich auf meiner ach so exquisit designten, aber leider nicht besonders bequemen Ledercouch liege, mein Rotweinglas mich anlächelt und ich schon weiß, es wird nicht alleine bleiben, erlaube ich mir ausnahmsweise einen kurzen Blick zurück.

Zurück in die wilden 70iger, wo alles möglich schien und ich mich von nichts aufhalten lassen wollte, aber es kam, wie es kommen musste, ich verliebte mich in Thomas und wurde schwanger.

Er wollte nicht nur das Kind, sondern auch mich, sogar heiraten wollte er, aber ich wollte nicht spießig wirken und gerade da fiel mir dieser eine Stern in die Hände, der mit „Mein Bauch gehört mir“ und überall stand, dass eine Abtreibung nichts schlimmes ist, nur ein kleiner Haufen Zellen und dass nur die Selbstbestimmung der Frau zählt.

Aber ich werde nie den Tag, der so herbstfarbenbunt war, vergessen, als ich mein Kind töten ließ, denn so fühlte es sich an und schon so oft habe ich mir gewünscht, in diesem Moment mutiger gewesen zu sein und nein gesagt zu haben.

Thomas trennte sich danach und ich verschloss mein Herz, solchen Schmerz wollte ich nie mehr erfahren. Aber dich, mein Sternenkind, konnte und wollte ich nie loslassen, du wirst mich immer begleiten, jeden Tag an meiner Seite und in meinem Herzen sein.

Zu dieser Geschichte

Gestern las ich bei Facebook etwas über Sternenkinder und wie schwer es für sehr viele Frauen ist einen Abgang und noch mehr einen Abbruch zu verarbeiten. Als Kind habe ich es erlebt, wie dieses schwere Thema bagatellisiert wurde und gehört wie eine Bekannte zu meiner Mutter sagte: „Wir haben gerade wieder eins in die Abfalltonne gebracht „. Meine Mutter hat mir die Bedeutung erklärt und ich habe sehr geweint. Zufällig fiel mir dann auch noch ein Artikel über den genannten Stern in die Hände und so muss Anton noch etwas auf mich warten …

Die abc Etüden

Einladung zu den abc Etüden von der lieben von Christiane mit einer Wortspende von Sandra Matteotti .

Wörter:

Laterne
herbstfarbenbunt
loslassen

Liebste Grüße

Ela

7 Gedanken zu „Was hätte sein können (abc Etüden 43.17)

  1. Manche Entscheidungen sind die falschen, man weiß es immer erst im Rückblick und trägt ein Leben lang daran …
    Findest du den Facebook-Link noch, falls der öffentlich war?
    Liebe Grüße
    Christiane, sehr berührt und nachdenklich

    Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s